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Larry Lohmann
Was ist Emissionshandel?

Es gibt zwei Formen des Emissionshandels. Die erste umfasst das tatsächliche Handeln mit Emissionsrechten, die zweite den Handel mit Gutschriften aus Schadstoffminderungsprojekten. Beide Formen werden oft gleichzeitig praktiziert, dann wird von hybriden Handelssystemen gesprochen.

Emissionshandel

Nehmen wir an, wir haben zwei Unternehmen, A und B. Jede Firma emittiert 100000 Tonnen Kohlendioxid im Jahr (emittieren ist der ökonomisch verharmlosende Fachbegriff; weniger kapitalistisch verbrämt müsste es heißen: Ausstoß von Stoffen in die Atmosphäre, die zum Treibhauseffekt und damit zur Erderwärmung und Klimaveränderung beitragen; kurz: Luftverschmutzung).

Die Regierung will die Emissionen um fünf Prozent kürzen. Sie gibt jeder Firma Rechte, Zertifikate, oder „Emissionsberechtigungen“, um in diesem Jahr nur 95000 Tonnen zu emittieren. Jedes Unternehmen muss nun entweder seine Emissionen um 5000 Tonnen reduzieren – oder 5000 Tonnen „Berechtigungen“ von anderswo her kaufen.
Nehmen wir an, der Marktpreis für Berechtigungen beträgt 10 Euro pro Tonne. Und Firma A kann seine Emissionen für die Hälfte dieser Kosten pro Tonne reduzieren. Also kalkuliert diese Firma so: Es ist sinnvoll, die Emissionen um 10000 Tonnen zu senken. Wenn sie dann die überschüssigen 5000 Tonnen (für 50000 Euro Marktpreis) verkauft, kann sie ihre gesamten Ausgaben wieder einnehmen. Also spart diese Firma 25000 Euro.

Nehmen wir für Firma B an, die Reduktion ist für sie teurer als der Marktpreis. Jede Reduktion pro Tonne kostet sie 15 Euro. Deshalb entscheidet sie, ihre Emissionen nicht zu reduzieren, sondern stattdessen die 5000 Tonnen Überschussberechtigungen zu kaufen, die Firma A zum Marktpreis anbietet. Wenn Firma B ihre Emissionen selbst reduzieren wollte, würde sie das 75000 Euro kosten. Aber wenn sie die Überschussberechtigungen von Firma A kauft, kostet sie das nur 50000 Euro. So spart Firma B also 25000 Euro bei dem Geschäft.
Zusammengefasst haben beide Unternehmen je 25000 Euro im Vergleich zu den Kosten gespart, die sie ohne Emissionshandel hätten. Wenn wir annehmen, die beiden Firmen seien die einzigen Unternehmen des Landes, dann würde das bedeuten, dass der privatkapitalistische Wirtschaftssektor dieses Landes genauso viele Emissionen reduziert hätte wie bei einer ganz normalen Gesetzesregelung ohne Emissionshandel. Aber durch die Verteilung der Reduktionen über den gesamten Privatsektor des Landes kostet das diesen Sektor im Vergleich 50000 Euro weniger Geld.

Einige Emissionshandels-Programme erlauben es den Firmen, all ihre Überschussberechtigungen zu behalten anstatt sie zu verkaufen, um sie in späteren Jahren auf dem Markt anzubieten.
Der Handel mit Emissionsrechten wird im Fachjargon auch cap-and-trade genannt (cap meint Obergrenze, trade Handel; der Begriff bedeutet also: Handelssystem mit Obergrenzen).


Der Handel mit Projekt-Gutschriften

Nehmen wir nun wieder an, wir haben dieselben beiden Unternehmen, A und B, die jeweils 100000 Tonnen Kohlendioxid im Jahr ausstoßen. Und wieder will die Regierung ihre Emissionen um je fünf Prozent reduzieren. Also gibt sie jedem Unternehmen Berechtigungen, um nur 95000 Tonnen auszustoßen.

Aber nun gibt die Regierung jeder Firma einen guten Rat: „Wenn Sie Ihre Emissionen gar nicht reduzieren wollen, haben Sie noch eine andere Option!“ („Hört, hört!“, lässt die Unternehmensleitung verlauten und ist ganz Ohr!) Die Regierung sagt: „Sie können in ökologische Projekte in Übersee investieren, welche Kohlendioxid-Emissionen um 5000 Tonnen unter eine bestimmte Grenze reduzieren, die andernfalls überschritten würde.“ Solche Projekte sind zum Beispiel der großflächige Getreideanbau zur Produktion von Biotreibstoffen, um Öl-Treibstoffe zu ersetzen; oder der Einsatz spezieller Maschinen, die etwa in einem Chemiebetrieb Treibhausgase zerstören; oder das Verbrennen von Methan, das aus Kohlegruben oder Mülldeponien sickert, um zu verhindern, dass es in die Atmosphäre entweicht; oder aber auch einfach der Bau eines Windkraft-Generators. Und – da solche Projekte meist in der südlichen Erdhemisphäre angesiedelt sind – ist der Preis für Gutschriften aus solchen Projekten nur 4 Euro pro Tonne, dank niedriger Lohnkosten, dank einer Fülle von im Süden ansässiger umweltverschmutzender Firmen und dank Fördermitteln von Regierungen und der Weltbank, die zugleich einen Teil der Projektkosten tragen und dabei gleich auch noch berechnen, wie viele Kohlendioxid-Äquivalente jedes Projekt rettet.

Nun, nach einem solchen wohlmeinenden Rat macht es für jedes unserer beiden Unternehmen, A und B, natürlich Sinn, Gutschriften aus Übersee zu kaufen, anstatt die Reduktionen selbst durchzuführen. Das Unternehmen A spart beim Kauf von Projekt-Gutschriften aus Übersee 5000 Euro und muss seine eigenen Emissionen überhaupt nicht reduzieren. Und Firma B spart zur selben Zeit 55000 Euro. Die Gesamt-Kostenersparnis für unsere kleine Volkswirtschaft, d.h. deren Privatsektor, beträgt nun 60000 Euro.
Der Handel mit Projekt-Gutschriften wird im Fachjargon baseline-and-credit-Handel oder Offset-Handel genannt.

Hybride Handelssysteme

Einige Luftverschmutzungs-Handelssysteme benutzen ausschließlich den Emissionshandel. Hybride Handelssysteme benutzen beide Formen, den Emissionshandel und den Handel mit Projekt-Gutschriften. Sie versuchen, Berechtigungszertifikate für den Emissionshandel mit den Gutschriften aus Projekten zu tauschen.
So benutzt der Schwefeldioxid-Markt in den USA ausschließlich Emissionsberechtigungen. Aber sowohl das Kyoto-Protokoll als auch das Emissionshandelssystem der EU mischen cap-and-trade-Berechtigungen und Projekt-Gutschriften und versuchen, sie in gegenseitigen Austausch zu bringen.

Solche Systeme sind enorm komplex. Es ist nicht nur schwierig, zuverlässige „Gutschriften“ zu entwickeln und sie dann mit „Emissionsberechtigungen“ zu tauschen. Sondern die Mischung beider Formen verändert auch wiederum die Ökonomie.
Nehmen wir zum Beispiel an, dass unseren Unternehmen A und B drei Optionen in allen möglichen Kombinationen offen stehen: Sie können ihre eigenen Emissionen reduzieren; sie können gegenseitig Emissionsberechtigungen tauschen; und sie können Gutschriften aus Übersee kaufen.

Für das Unternehmen B wäre nun wiederum die beste Option, für 20000 Euro Übersee-Projektgutschriften zu kaufen, anstatt 75000 Euro für die Reduktion seiner eigenen Emissionen auszugeben.
Für das Unternehmen A wäre die beste Option, die eigenen Emissionen um 10000 Tonnen zu reduzieren – aber nur dann, wenn sich ein Käufer findet, der 10 Euro pro Tonne an Emissionsberechtigungen für 5000 Tonnen zahlt, die er einsparen müsste. So würde Unternehmen A überhaupt nichts ausgeben und auch keine 20000 Euro für Projekt-Gutschriften aus Übersee zahlen müssen.

Unglücklicherweise findet Unternehmen A aber nun keinen solchen Käufer. Wenn das Unternehmen B 5000 Euro einsparen kann, indem es Gutschriften aus Übersee kauft, braucht es die Emissionsberechtigungen von Unternehmen A nicht mehr zu kaufen. Aber Unternehmen B ist die einzige andere Firma in unserer kleinen Volkswirtschaft. Wenn Unternehmen B als Käufer von Emissionsrechten ausfällt, macht es für Unternehmen A ökonomisch Sinn, seine Emissionen überhaupt nicht zu reduzieren und ebenfalls nur noch Geschäfte mit Gutschriften in Übersee abzuwickeln.

Larry Lohmann, The Corner House,
kritische Klima-Forschungs-Organisation aus Großbritannien (Übersetzung und sprachliche Bearbeitung: Sal Macis, aus: Carbon Trading. A critical Conversation on Climate Change, Privatisation and Power, in: Development dialogue, hrsg. von der Dag-Hammarskjöld-Foundation, Uppsala/Schweden, Nr. 48, 9/06, S. 47f.)