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Feuer frei!
Bundeswehr-Propaganda in Social-Media-Diensten
On-line gesetzt am 22. Juli 2010
zuletzt geändert am 2. Juli 2010

Die Bundeswehr will sogenannte Social-Media-Internetdienste wie Facebook oder Twitter stärker als bisher für ihre Propaganda nutzen. Jüngster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein mehrtägiger Kongress, der von der "Akademie für Information und Kommunikation" der deutschen Streitkräfte in Strausberg bei Berlin veranstaltet wird. Chefredakteure verschiedener privater und öffentlich-rechtlicher Medien werden dabei Auskunft über das Verhalten von Internetnutzern geben und den anwesenden Militärs entsprechende Einflussmöglichkeiten aufzeigen

Die Bundeswehr reagiert damit auf Kritik aus den eigenen Reihen. Moniert wird die mangelnde Präsenz der Streitkräfte und die vermeintliche Dominanz antimilitaristischer Inhalte im World Wide Web. Bereits seit längerem diskutieren auch regierungsnahe Think-Tanks die Nutzung "sozialer Netzwerke" im Internet zum Zweck der Subversion gegen missliebige ausländische Regimes und zur "Terrorismusbekämpfung".

Bürgernahe Kommunikation

Wie die in Strausberg bei Berlin beheimatete "Akademie für Information und Kommunikation" der Bundeswehr (AIK) mitteilt, startet sie am morgigen Dienstag ein mehrtägiges Symposium zum Thema "Journalismus und bürgernahe Kommunikation im digitalen Zeitalter". Explizites Ziel der von der vormaligen "Schule für psychologische Verteidigung" ausgerichteten Veranstaltung ist es, sogenannte Social-Media-Internetdienste wie Facebook oder Twitter für die Propaganda der deutschen Streitkräfte nutzbar zu machen.[1]

Kampagnen mit Google

Zu diesem Zweck wurden zahlreiche zivile Experten nach Strausberg geladen: Vertreten sind hochrangige Manager der IT-Branche, Wissenschaftler der Technischen Universität Ilmenau (Thüringen) und des Berliner Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) sowie Chefredakteure privater und öffentlich-rechtlicher Medien. Die Leiterin des Bereichs "Onlineforschung" des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Beate Frees, wird das Verhalten von Internetnutzern analysieren; Vertreter von Google Deutschland stellen mit Hilfe ihres Internetsuchdienstes lancierte "politische Kampagnen" vor und offerieren "Bewegtbildstrategien" für das Videoportal YouTube. Im Rahmen eines "Markts der Möglichkeiten" wird das Fraunhofer-Institut zudem eine eigens für die Bundeswehr entwickelte iPhone-Applikation präsentieren. Die Streitkräfte selbst nutzen das Forum für die Uraufführung ihres Videopodcasts zum Thema "Social Media".[2]

Pentagon-PR

Mit ihrem Strausberger Symposium reagiert die Bundeswehr auf massive Kritik aus den eigenen Reihen. So wirft etwa Sascha Stoltenow, PR-Berater und Offizier der auf psychologische Kriegführung spezialisierten Truppe für Operative Information (OpInfoTr) [3], dem deutschen Militär vor, mit den neuen Internetdiensten zu "fremdeln": "Während das US-amerikanische Verteidigungsministerium einen eigenen Social-Media-Hub einrichtet und Roundtable-Gespräche für Blogger organisiert, herrscht im Bendlerblock die große Social-Media-Funkstille." Dies führe dazu, so Stoltenow, dass Antimilitaristen die "Deutungshoheit über ein zentrales Feld der Politikvermittlung im Diskursraum Internet (...) übernehmen". Insbesondere die öffentliche Debatte um die flächendeckende Entsendung von Jugendoffizieren der Bundeswehr an deutsche Schulen [4] werde "vor allem von den Gegenstimmen beherrscht".[5]

ISAF bei Facebook

Außerordentlich positiv bewertet Stoltenow demgegenüber den Facebook-Eintrag des von einem deutschen General geführten "Regionalkommandos Nord" der westlichen Besatzungstruppen in Afghanistan. Das Facebook-Profil zeige, dass "unter deutschen Kommando eine zielgerichtete Nutzung der neuen Medien möglich ist" und hierdurch erfolgreich "Propaganda" betrieben werden könne, heißt es.[6] Die Kommentare der Nutzer des Social-Media-Internetdienstes scheinen Stoltenow Recht zu geben. So schreibt eine Userin namens Jenny Cockcroft, es sei "an der Zeit, zu zeigen, dass Deutschland hinter seinen Soldaten und Soldatinnen steht, die tagein tagaus ihr Leben riskieren, um den Menschen in Afghanistan zu helfen".[7] Ein anderer Nutzer namens Helge Lodders kommentiert die forcierte Aufstandsbekämpfung mittels Spezialeinheiten und den Einsatz der für ihre verheerende Vernichtungswirkung bekannten Panzerhaubitze 2000 [8] durch die Bundeswehr: "Gut so. So wie die QRF (Quick Reaction Force, d. Red.) Respekt verschafft hat, so werden es die Haubitzen machen (...) Feuer frei!"[9]

Web 2.0-Instrumente

Bereits seit längerem diskutieren regierungsnahe deutsche Think-Tanks die Nutzung "sozialer Netzwerke" im Internet zum Zweck der Subversion gegen missliebige ausländische Regimes (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Web 2.0-Foren wie Facebook, MySpace, YouTube oder Twitter ließen sich ebenso als "Instrumente" zur Unterstützung oder Organisierung einer "Rebellion" wie auch zur Vermittlung der angeblichen "Notwendigkeit" der Out-of-Area-Einsätze der Bundeswehr nutzen, heißt es. Analog zum aktuellen Symposium der AIK wird auch hier behauptet, es gebe eine Übermacht militärkritischer Stimmen im virtuellen Raum: "Die ’bösen Jungs’ wie Terroristen und Extremisten jeglicher Couleur gebrauchen doch dieselbe Technologie, vernetzen sich per Internet oder gründen Hassgruppen auf Facebook".[11]

[1] Symposium zur Veranstaltungsreihe GOVERMEDIA: "Journalismus und bürgernahe Kommunikation im digitalen Zeitalter". Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK), 29.06.-01.07.2010; govermedia.de

[2] AIK: Govermedia 2010. Eine Initiative der Bundeswehr. Journalismus und bürgernahe Kommunikation im digitalen Zeitalter (Programmheft)

[3] zu Stoltenow s. auch Military-Scientific Community (I)

[4] s. dazu Bundeswehr, jugendgerecht

[5], [6] Der strategische Social-Media-Fail der Bundeswehr;
bendler-blog.de

[7] www.facebook.com/rcnorth

[8] s. dazu Weiche Ziele

[9] www.facebook.com/rcnorth

[10], [11] s. dazu Cyber Mobilization


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