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Die spanische Kriegshochschule
On-line gesetzt am 27. April 2012
zuletzt geändert am 25. April 2012

75 Jahre nach der Zerstörung der nordspanischen Kleinstadt Guernica durch deutsche Kampfflieger verweigert die Bundesrepublik den Nachkommen der Opfer weiterhin jegliche Entschädigung.

Am 26. April 1937 hatten rund 30 Bomber der "Legion Condor" Guernica in Schutt und Asche gelegt und mehrere Hundert Zivilisten ermordet. Das Kriegsverbrechen diente wie die übrigen Kampfhandlungen auf Seiten des Franco-Regimes dem Training für den Weltkrieg; es gilt zudem als "Testlauf" für die Zerstörung Rotterdams (1940) oder Belgrads (1941) und für den Luftterror gegen sowjetische Städte. Fliegeroffiziere der "Legion Condor" bauten die Luftwaffe der Bundesrepublik mit auf und wurden bis vor wenigen Jahren in der Bundeswehr geehrt. Während in diesen Tagen zahlreiche Initiativen mit Gedenkveranstaltungen an die Opfer von Guernica erinnern, rühmt die größte deutsche Fluggesellschaft den damals für die Bombardierung genutzten Flieger Ju 52 als "’Grande Dame’ der Luftfahrt". Die Ju 52, die die Lufthansa schon in der Weimarer Republik nutzte, war von Anfang an auch als Bomber für militärische Zwecke konzipiert.

Die "Legion Condor"

Der Einsatz deutscher Ju 52 auf Seiten der spanischen Faschisten begann lange vor der Zerstörung Guernicas - bereits wenige Tage nach Francisco Francos Putsch vom 17. Juli 1936. Das NS-Regime stellte Franco diverse Ju 52-Flieger zur Verfügung, um Tausende Putschisten aus dem Protektorat "Spanisch-Marokko" zu seiner Unterstützung nach Spanien zu transportieren. Zugleich begann der Aufbau der "Legion Condor", einer Wehrmachtseinheit, die unter strikter Geheimhaltung auf Seiten Francos in Spanien intervenierte.

Der Einsatz trug nicht nur dazu bei, Nazigegner auszuschalten. Er ermöglichte auch den Test von Waffen und das praktische Training von Soldaten für den Weltkrieg. Insgesamt durchliefen rund 19.000 deutsche Soldaten die "Legion Condor". Kampfflieger kamen in Spanien ab November 1936 zum Einsatz - auch bei brutalen Bombardements der Zivilbevölkerung: In der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 1936 etwa warf die "Legion Condor" 36 Tonnen Bomben auf Madrid; am 14. Dezember 1936 fielen ihrem Luftangriff auf die kleine Ortschaft Bujalance 120 Menschen zum Opfer. Das Trefferergebnis sei "sehr gut", befanden damals deutsche Soldaten.[1]

Mitten hinein

Im Rahmen ihres brutalen Bombenkrieges zerstörte die "Legion Condor" am 26. April 1937 auch Guernica. Man habe die Kleinstadt "buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht", notierte der damalige Chef des Stabes der Legion Condor, Oberstleutnant Wolfram Freiherr von Richthofen. Nach einer ersten Angriffswelle habe eine Ju 52-Staffel "250-kg- und Brandbomben" abgeworfen: "Überall schon Qualm (...), keiner konnte mehr Straßen-, Brücken- und Vorstadtziel erkennen und warf nun mitten hinein".[2] "Die 250er (Bomben) warfen eine Anzahl Häuser um und zerstörten die Wasserleitung", schrieb Richthofen zufrieden: "Die Brandbomben hatten nun Zeit sich zu entfalten und zu wirken. Die Bauart der Häuser: Ziegeldächer, Holzgalerie und Holzfachwerkhäuser, führte zur völligen Vernichtung. (...)

Bombenlöcher auf Straßen noch zu sehen, einfach toll." Mindestens 300, nach einigen Schätzungen mehr als 1.000 Menschen kamen zu Tode. Anschließend setzten die Deutschen die Bombardements gegen andere Städte fort. Zeitweise entschieden sie sich explizit, "die Staffeln nunmehr rücksichtslos gegen sämtliche Ortschaften und Verkehrsmittel in dem eng gewordenen roten Lebensraum einzusetzen". Einige der Luftangriffe stießen selbst bei Franco auf Protest.

Terror als Mittel

Über die Ziele zahlreicher Luftoperationen in der "spanischen Kriegshochschule", wie deutsche Offiziere den Bürgerkrieg nannten, haben sich deutsche Militärs mehrfach schriftlich geäußert. Die "Legion Condor" habe "sehr wertvolle Erfahrungen über die moralische und effektive Wirkung der Bombenangriffe gesammelt", heißt es etwa in einer Studie aus dem Jahr 1938: Die "fortdauernden Angriffe kleinerer Einheiten gegen einzelne Städte" hätten "die Bevölkerung tief beeindruckt und verängstigt"; es sei dem Kriegsgegner "nur mit gröbsten, rücksichtslosen Mitteln" noch gelungen, die Bevölkerung "zur Ruhe und Ordnung zu zwingen".[3] Bereits im Dezember 1936 hatte ein Major der "Legion Condor" ausdrücklich "Terrorangriffe" als Mittel erwähnt, "um Verhandlungen Nachdruck zu verleihen" - man setzte darauf, dass die terrorisierte Bevölkerung die Regierung zum Nachgeben zwingen könne. Die Terrorangriffe hätten sich in diesem Sinn "als tauglich erwiesen", urteilt der Historiker Hannes Heer in einer Studie über die Luftangriffe der "Legion Condor". Wie Heer festhält, wurde ein solches Vorgehen bereits Jahre vor dem Spanien-Einsatz der "Legion Condor" von deutschen Militärs diskutiert - im Anschluss an Luftkriegstheorien des italienischen Generals Giulio Douhet. Die "Terrorisierung der Bevölkerung der Hauptstädte" fand sich als Ziel bereits in einer Denkschrift, die 1933 Hermann Göring übergeben wurde; beabsichtigte Folge: der "moralische Zusammenbruch" der Bevölkerung. Die Zerstörung Guernicas sei "ein Triumph" von Vertretern solcher Konzepte gewesen, resümiert Heer.

Wiederaufbau nicht angestrebt

Heer weist darauf hin, dass die Erkenntnisse aus der "spanischen Kriegshochschule" im Zweiten Weltkrieg angewandt wurden. Generalmajor Wolfram Freiherr von Richthofen beispielsweise, der den Angriff auf Guernica befohlen hatte, wurde beim Überfall auf Polen - unterstützt durch seinen aus Spanien mitgebrachten Stab - als "Fliegerführer zur besonderen Verwendung" eingesetzt. "Im Morgengrauen des 1. September 1939", berichtet Heer, "zerstörten seine Sturzkampfbomber den polnischen Ort Wieluń und nahmen dabei den Tod von 1200 Menschen in Kauf." Als sich am 22. September 1939 der Ring um Warschau schloss, schrieb Richthofen: "Beantrage dringend letzte Möglichkeit von Brand und Terrorangriff als groß angelegten Versuch auszunutzen (...), falls Fliegerführer z.b.V. damit beauftragt, wird mit allen Kräften völlige Tilgung Warschaus angestrebt, umso mehr, da in Zukunft nur Grenzzollamt."[4] Tatsächlich fielen den über 600 Tonnen Bomben, darunter 15 Prozent Brandbomben, welche die Deutschen auf Warschau warfen, 20.000 Menschen zum Opfer. "Nach diesem Muster", urteilt Heer, "lassen sich auch andere Buchstaben im Alphabet des Terrors entschlüsseln" - die Luftangriffe auf Rotterdam und Belgrad etwa. Am Überfall auf die Sowjetunion nahm Richthofen auch persönlich wieder teil. Heer berichtet: "Als Kommandeur des VIII. Fliegerkorps im Mittelabschnitt der Ostfront eingesetzt, ließ er ab dem 22. Juni 1941 alle größeren Städte auf der Achse Minsk-Smolensk mit der erprobten Mischung aus Spreng- und Brandbomben in Trümmer legen." Die nachrückende "Wirtschaftsinspektion Mitte" beurteilte das Ergebnis trocken: "Aufbau erscheint auf Jahre ausgeschlossen, wird wohl aucn nicht angestrebt werden."

Traditionspflege

Angehörige der Terror-"Legion Condor" machten nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundeswehr, insbesondere in der Luftwaffe, Karriere. "Condor"-Soldat Hermann Aldinger beispielsweise brachte es als Generalmajor bis zum Kommandeur der 1. Luftwaffendivision; für seine Leistungen erhielt er das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Ebendiesen Orden bekam auch Martin Harlinghausen, der aus der "Legion Condor" kam und bis zum Befehlshaber der Luftwaffengruppe Nord (Bundeswehr) aufstieg. Befehlshaber der Bundeswehr-Luftwaffengruppe Süd wurde zum Ende seiner Karriere der "Condor"-Flieger Johannes Trautloft. Mit Heinz Trettner entstammte sogar ein Generalinspekteur der Bundeswehr der in Spanien eingesetzten Truppe. Entsprechend lange wurden die "Condor"-Offiziere geehrt; nach Werner Mölders, dem "Condor"-Flieger mit den meisten Feindabschüssen und einem der prominentesten Kampfpiloten im Zweiten Weltkrieg, war bis 2005 eine Bundeswehrkaserne benannt. Dazu passt es, dass die Bundesrepublik sich jahrzehntelang weigerte, die deutschen Kriegsverbrechen bei der Bombardierung Guernicas anzuerkennen, und dass individuelle Entschädigungen für die Nachkommen der Opfer bis heute ausbleiben. Bewilligt wurden nur drei Millionen DM für den Bau eines Sportzentrums in Guernica. Das süddeutsche Pforzheim unterhält eine Städtepartnerschaft mit der baskischen Stadt - allerdings auch mit Blick darauf, dass der Rüstungsstandort Pforzheim im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde. "Eine Schicksalsgemeinschaft" verbinde den Ort mit Guernica, behaupten die Behörden: "Auch Pforzheim wurde im Zweiten Weltkrieg durch einen Luftangriff zum größten Teil zerstört."[5]

Deutsches Kulturerbe

Im Gegensatz zur "Legion Condor" wird die Ju 52, die bei der Bombardierung von Guernica und anderen spanischen Städten zum Einsatz kam, heute noch gepriesen. Das Flugzeug wurde schon in den 1920er Jahren entwickelt - offiziell als ziviles Fracht-, später als Passagierflugzeug, insgeheim jedoch auch mit der Option, es als Bomber militärisch zu nutzen, obwohl dies den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrags widersprach. Die Lufthansa, die die Ju 52 schon bald einsetzte, hat damals sogar verbotene Schulungen für künftige Luftwaffenpiloten durchgeführt. Nach ihrer Erprobung in Spanien kam die Ju 52 im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz. Heute feiert die "Deutsche Lufthansa Berlin-Stiftung" die Maschine ("Tante Ju") als "’Grande Dame’ der Luftfahrt", wahlweise als "ein wichtiges Stück deutschen luftfahrttechnischen Kulturerbes", führt regelmäßig individuell buchbare "Rund- und Streckenflüge" mit der Maschine durch und wirbt für den Förderverein "Freunde der Lufthansa Ju 52 e.V.". "In den Kriegsjahren", schreibt der Verein, sei der Ju 52 "hohe Bewunderung zuteil" geworden, da sie "oft trotz schwerer eigener Beschädigung (...) unzählige Verwundete aus den Frontgebieten ausgeflogen und so Leben gerettet" habe.[6] Die Rolle der Maschine bei Bombardements von Zivilisten wie zum Beispiel in Guernica und Warschau, wo Ju 52-Flugzeuge Brandbomben aus niedrigster Höhe abwarfen, bleibt unerwähnt.

[1], [2] Klaus A. Maier: Die Zerstörung Gernikas am 26. April 1937; Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung 1/2007

[3], [4] zitiert nach: Hannes Heer: Guernica oder der Beginn des Zweiten Weltkriegs (Teil II), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 57 (2009), 677-701

[5] Gernika; www.pforzheim.de

[6] Die Junkers JU 52 D-AQUI; www.freunde-lufthansa-ju52.de


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