Die 1926 erbaute Bakuninhütte auf der Hohen Maas ist ein gesellschaftspolitisches Denkmal. Die Baubehörden sehen das anders, deklarieren das Objekt sogar zum Schwarzbau. Droht der Abriss linker deutscher Geschichte?
Für die Bakuninhütte setzt sich die wechselvolle Geschichte fort. Statt weiter gegen den Verfall kämpfen zu können, streitet der Eigentümer-Verein vor Gericht mit der unteren Bauaufsicht
Meiningen - Die Bakuninhütte ist ein kleines Stück deutscher Geschichte. Nach der Wende keimte Hoffnung auf, dieses Bauwerk zu retten. Doch die neue gesamtdeutsche Bürokratie entpuppt sich jetzt als ärgster Gegner. Wer auf der Hohen Maas spazieren geht, findet an der Hütte seit fast einem Jahr den Bescheid der unteren Bauaufsicht des Landratsamtes Meiningen. Unter Androhung von 3000 Euro Zwangsgeld wird damit die "Nutzung des Objektes als Aufenthaltsgebäude für Personen" untersagt. Ebenso sind alle Baumaßnahmen "unverzüglich einzustellen", heißt es darauf.
Wie konnte das passieren? 2005 hatte der Kreis der Wander- & Naturfreunde Meiningen e.V. das Objekt und umliegende Flächen vom Bundesvermögensamt erworben. Ziel war die Nutzung als Wanderstation und Gedenkstätte. Mitte 2006 beantragte der Verein die Baugenehmigung und Umnutzung des Objektes, das sich auf Ellingshäuser Flur befindet, im Sinne des Vereinsziels. Doch die Stellungnahmen der Gemeinde sowie der zuständigen Wasser- und Naturschutzbehörden versagten ihr Einvernehmen. Der Bauantrag wurde daraufhin vom Verein zurückgezogen.
Eine erneute Anfrage bei der Bauaufsicht im Frühjahr 2009 ließ bei den Akteuren die Hoffnung schwinden, ihre ursprünglichen Pläne umsetzen zu können. Und so begann man in Abstimmung mit einem Meininger Architekten, die vorhandene Substanz vor dem weiteren Verfall zu bewahren. Das undichte Dach wurde geflickt, die Dachentwässerung repariert, verfaulte Deckenbalken eins-zu-eins ausgetauscht. Dabei kam es zu keiner Nutzung, die die Natur im Umfeld nachhaltig geschädigt haben könnte. Lediglich sporadisch waren Vereinsmitglieder, die nicht nur aus der Region, sondern vielen Teilen der Bundesrepublik stammen, vor Ort mit den Arbeiten beschäftigt. Auch für die ein oder andere Wanderung war die Hütte Ausgangspunkt. Die Nutzung blieb in der Summe aber weit hinter der in den 20er Jahren zurück, als sich Arbeiter auf freiem Land in freier Hütte trafen.
Nachdem unsere Zeitung am 10. Oktober 2009 erstmals über die Vereinsaktivitäten und die Sanierungsarbeiten berichtet hatte, wurde die Bauaufsicht aktiv und erließ nur fünf Tage später den bereits erwähnten Bescheid. Unter Bezugnahme auf die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften und "der Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit" verwies die Behörde auf das öffentliche Interesse, "die Fortführung unzulässiger Bauarbeiten" zu verhindern. "Das Gebäude ist sowohl formell als auch materiell illegal", heißt es wörtlich. In der Begründung führt die Bauaufsicht weiter an, dass das Gebäude seit 1990 nicht mehr genutzt wird und eine "gesicherte Erschließung" nicht gegeben ist. Es gebe keine Straße, keinen Stromanschluss, kein Trinkwasser, keine Abfallentsorgung. Ebenso habe der Behörde keine Baugenehmigung vorgelegen. Und selbst wenn es eine solche geben würde, sei diese auf Grund der "mehrjährigen Nutzungsunterbrechung verwirkt". Der Verein als Eigentümer habe zudem keine Aussicht auf eine Genehmigung, da mit dem Vorhaben "eine untergeordnete städtebauliche Entwicklung und Zersiedlung" einhergehen würde.
Für den Eigentümer-Verein ist das alles schwer nachvollziehbar. Doch konnte der Verein im Eilverfahren (Mai 2010) vor dem Verwaltungsgericht Meiningen nicht punkten. Formaljuristisch hatte die Baubehörde zu diesem Zeitpunkt ganz offensichtlich die besseren Karten.
Infos zum Denkmaltag
Jetzt hofft der Kreis der Wander- & Naturfreunde auf das Hauptsacheverfahren. Bis zur Entscheidung könnten aber Jahre vergehen. Zeit, in der man Begründungen für die eigene Rechtsauffassung nachreichen kann. Und so liegen dem Gericht unterdessen die Baugenehmigungen von 1928 und 1937 (An- und Umbau zum Wohnhaus für einen Ellingshäuser Bürger) vor. Auch hat man bei Gericht eine lückenlose Übersicht über die Eigentümerhistorie eingereicht, inklusive der Darstellung, warum es keine wirkliche Nutzungsunterbrechung gegeben hat.
Ein von der Redaktion befragter Bauexperte bestätigte zudem die Auffassung des Vereins, dass die erfolgten Arbeiten als "reine Unterhaltungsreparaturen" anzusehen sind. Massive Eingriffe in Statik und Gestalt des Gebäudes habe es nicht gegeben. Die Behörde habe ihren Interpretationsspielraum klar gegen den Eigentümer ausgelegt und einen "völlig überzogenen Maßstab" angesetzt. Aus einer Mücke werde hier offenbar ein Elefant gemacht, so sein Urteil.
Unterdessen haben sich die Wander- & Naturfreunde von ihrem ursprünglichen Konzept der Hüttennutzung verabschiedet. Man will nun lediglich eine "temporäre saisonale Nutzung mit fußläufiger Anbindung, wie sie bei Wander- und Berghütten üblich ist. Hinzu kommt, dass es sich bei der Bakuninhütte um einen "bedeutsamen historischen und somit denkmalwürdigen Ort" handle. Für den Verein wiegt daher das öffentliche Interesse an der fortgesetzten Nutzung als Wanderstation und Gedenkstätte schwerer als das von der Behörde ins Feld geführte öffentliche Interesse an der Unterbindung von Sanierungsarbeiten.
Neben dem Eigentümerverein gibt es noch den reinen Wanderverein Bakuninhütte. Unabhängig von dem juristischen Streit will er die wunderschöne Natur auf der Hohen Maas genießen und natürlich die Geschichte wach halten. Und so lädt der Verein zum Tag des offenen Denkmals an ein behördlich geschlossenes Denkmal ein. Am Sonntag kann man sich zwischen 11.30 und 16 Uhr vor Ort informieren.
Der Ursprung der Bakuninhütte
"Freies Land und freie Hütte / Freier Geist und freies Wort / Freie Menschen, freie Sitte / zieht mich stets zu diesem Ort." Dieser Spruch zierte einst die Bakuninhütte auf der Hohen Maas bei Meiningen. Er lässt noch heute ahnen, dass es sich bei dem Gebäude nicht um einen x-beliebigen Unterstand für Naturfreunde handelte, sondern um einen Treffpunkt von Menschen, die mit ihren Idealen für ein besseres Leben eintraten. Denn die "goldenen 20er Jahre" waren längst nicht für die Masse der Deutschen golden. Harte Arbeit für wenig Geld war die Devise. Das galt auch für die Arbeiter im Raw, von denen sich viele in der Gewerkschaft FAUD organisierten. Aus dieser wiederum entstand der "Siedlungsverein für gegenseitige Hilfe". Dessen Mitglieder schafften sich auf der Hohen Maas einen Ort der Freiheit, an dem sie nicht nur ihrem Alltag entfliehen, sondern auch über die Zukunft diskutierten konnten. Mit dem ab 1926 erfolgten Bau der Hütte, die den Namen Michail Aleksandroviè Bakunin - einer zentralen Figur des libertären Sozialismus -, wurde dort ein besonderer Ort geschaffen. Die Bakuninhütte erlangte im Deutschen Reich Bedeutung als freiheitlicher Gedankenort. Selbst der bekannte Publizist Erich Mühsam war hier mehrfach zu Gast.
Die Nationalsozialisten hatten mit dieser Form des Sozialismus wenig am Hut. Der Verein wurde 1933 aufgelöst. In den folgenden Jahrzehnten wechselten die Eigentümer und Nutzungen der Hütte. 17 an der Zahl führt eine Liste auf, die über vier verschiedene Gesellschaftsformen reicht. Drei davon hat sie überstanden ...
Von Ralph W. Meyer